Interview mit Dr. Jürgen von Ahn, dem neuen Leiter des Römermuseums Pachten

Herr Dr. von Ahn, wären Sie so nett, sich einmal unseren Bürgerinnen und Bürgern vorzustellen?
Sehr gerne. Mein Name ist Jürgen von Ahn, ich bin 44 Jahre alt und ich komme aus Trier. Studiert habe ich Kunstgeschichte, Klassische Archäologie und Katholische Theologie. Nach dem Magister konnte ich vielfältige Erfahrungen in verschiedenen Forschungsprojekten an den Universitäten von Frankfurt am Main, Trier und Luxemburg sammeln und dann im Jahr 2017 meine Promotion zum Doktor der Geisteswissenschaften abschließen. Zeitgleich habe ich auch als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Trier in Lehre und Forschung als Assistenz der Professur gearbeitet. Während des Studiums und der Promotion habe ich mir meinen Lebensunterhalt in verschiedenen außeruniversitären Bereichen, wie Verkauf, Gastronomie, Kultur und Selbständigkeit verdient. Das war für mich ein sinnvoller Kontrast zum Elfenbeinturm der Universität und hat mich nicht nur an viele Orte, sondern auch mit vielen unterschiedlichsten Menschen zusammengebracht.

Was hat Sie denn bewogen sich auf die Stelle in Dillingen zu bewerben?
Nachdem mein befristeter Vertrag an der Universität Trier im Dezember 2019 ausgelaufen war, traf meine Stellensuche genau in das erste Jahr der Coronakrise. Mir wurde dann schnell klar, dass gerade im Bereich Kultur der Rotstift angesetzt worden ist. Universitäten, Museen und andere Kultureinrichtungen waren (vorübergehend) geschlossen. Die Zeit konnte ich aber dennoch für diverse Publikationen und die corona-bedingten Herausforderungen im Privatleben nutzen. Umso erfreuter war ich, als ich die Anzeige für die Stelle in Dillingen entdeckt habe. Auch wenn die Entfernung zunächst etwas abschreckte, war es doch die spannende Mischung aus Museumsarbeit, Stadtgeschichte und Tourismusförderung, die mich besonders gereizt hat. Also habe ich mich kurzerhand beworben und freue mich sehr, dass ich die Stelle bekommen habe.

Jetzt arbeiten Sie schon ein halbes Jahr bei der Stadtverwaltung, wo liegen Ihre Prioritäten?
Dillingen ist, touristisch gesehen, ein ungeschliffener Diamant. Industriekultur beginnend in der Zeit Ludwig XIV., Skulpturen der Moderne von teils weltbekannten Künstlern, die reichhaltige Natur am Ökosee und vor allem die römische Vergangenheit des Stadtteils Pachten bieten unzählige Möglichkeiten. Bei letzterem hat ganz klar das Museum Pachten das größte Potenzial und steht auch seit meinem Arbeitsbeginn im Fokus meiner Tätigkeiten. Das bereitet mir besondere Freude, denn neben der Kunstgeschichte war die Archäologie immer schon meine zweite große Leidenschaft. Nach kurzer Einarbeitung war mir dann sehr schnell bewusst, wie bedeutend die römische Geschichte Pachtens ist und wie viele außergewöhnliche Objekte hier über die Jahrzehnte gefunden wurden. 

Als Trierer sind Sie doch bestimmt nicht so schnell zu beeindrucken, wenn es um die Römer geht, oder?!
Meine Heimatstadt, die ja schon in der Antike den Titel des zweiten Roms innehatte, besitzt mit seinen Großbauten sicherlich die beeindruckendsten römischen Hinterlassenschaften nördlich der Alpen. Aber gerade dieser Fakt ist zugleich auch ein wenig ihr Fluch. Touristen sind oft, so mein persönlicher Eindruck, bei der schieren Masse an beeindruckenden Gebäuden und Objekten schnell überfordert. Als einstige Kaiserstadt ist die Pracht, die heute noch zu erahnen ist und ergänzt wird durch viele Relikte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, exzeptionell und spiegelt in vieler Weise nicht unbedingt das alltägliche Leben der römischen und keltischen Mehrheitsbevölkerung wider. Und gerade dieser hochspannende Alltag ist das, was heute eher kleinere Orte, wie Pachten, vermitteln können. Denn auch das Umfeld Triers zeugt viel von der bewegten Vergangenheit der Region. Neben weiteren Highlights der Römerzeit, wie der Römervilla Borg und dem Museum Schwarzenacker, dokumentiert auch das Römermuseum Pachten die vielfältige antike Geschichte des Saarlandes.

Was sind denn diese außergewöhnlichen Objekte in Pachten, die Sie bereits erwähnt haben?
Zu nennen ist hier zunächst der Inschriftenstein, welcher es ermöglicht hat, dem römischen Pachten seinen antiken Namen wieder zu geben: Contiomagus. Das gibt es nur äußerst selten. Außergewöhnlich sind die zahlreich erhaltenen beschrifteten Sitzsteine eines ehemaligen Kulttheaters. Diese wurden nach der Zerstörung der Siedlung durch die Germanen, im Fundament des hiernach neu errichteten Kastells wiederverwendet und sind somit erhalten geblieben. Ein solches Theater kennen wir in Deutschland nur noch aus Trier. Dort ist es jedoch mit Schutt aus dem zweiten Weltkrieg bedeckt und somit für die nahe Zukunft nicht nutzbar. Pachten zeichnet sich durch viele schöne Stücke des alltäglichen Lebens aus, wie eine Vielzahl von Keramik unterschiedlichster Qualität. Kleinfunde, wie der sicherlich vielen bekannte Merkur (in Privatbesitzt) sind von besonderer Kunstfertigkeit. Schmelztiegel und Förmchen eines Geldgießers (fälschlicherweise oft Münzfälscher genannt), ein großes Bleigefäß, ein Mosaik mit Swastika und eine bronzene Siebkelle aus dem Bereich der Hütte finden sich in vielen Publikationen und wurden schon in Saarbrücken und Berlin gezeigt. Und nicht zuletzt zu nennen: das größte Brandgräberfeld des deutschen Süd-Westens.

Haben Sie schon ein persönliches „Lieblingsstück“ ausmachen können?
Ohja! Bei diesem handelt es sich eindeutig um ein Fragment einer ägyptischen Frauenfigurine, die wir erfreulicherweise nach Dillingen zurückführen konnten. Sie wurde 1920 im Bereich des ehemaligen Kastells hier in Pachten gefunden. Ihr haben wir ja kürzlich bereits einen eigenen Artikel gewidmet, den man auch auf der Homepage der Stadt nachlesen kann. Das geheimnisvolle Objekt, das vermutlich aus der ehemaligen altägyptischen Hauptstadt Memphis stammte und aktuell zwischen 1200 und 600 v. Christus datiert wird, ist schon etwas ganz Außergewöhnliches. Es ist völlig offen, wie das Stück vom Nil an die Saar gelangte. Genauso rätselhaft ist die Art der sehr wahrscheinlich bewussten Zerstörung der Namensinschrift und des Gesichtes der Frau, die – laut Ägyptologen – eine Prinzessin, Adelige oder hochgestellte Dame gewesen sein muss. Auch wenn es hin und wieder ägyptische Bodenfunde in Nordeuropa gibt, bleibt das Pachtener Stück in dieser Form einzigartig nördlich der Alpen.

Wird denn die geheimnisvolle Ägypterin auch einen Platz im Museum finden?
Sicherlich wird sie als ein Highlight der Sammlung einen besonderen Platz im Museum einnehmen. Ihr soll ein eigener kleiner Raum gewidmet werden, in dem sie nicht nur würdig präsentiert wird, sondern auch die Theorien zu ihrer Geschichte und ihrer Reise an die Saar dem Besucher aufgezeigt werden. 

Apropos, was stellen Sie sich für das Museum in Zukunft vor?
Zunächst einmal muss ich sagen, dass das Museum in einem sehr guten Gesamtzustand ist. Und mit seinen Ausmaßen sehr wahrscheinlich das größte archäologische Museum des Saarlandes werden könnte. Nun geht es vornehmlich darum, die Ausstellung ins jetzige Jahrtausend zu bringen. Die Objekte sollen in zeitgemäßer Form den Besuchern präsentiert und durch mehrsprachige Beschriftungen in ihren Kontext gestellt werden. Hierbei wollen wir neben den eigentlichen Objekten auch multisensorische und multimediale Mittel einsetzen. Objekte zum Fühlen, Hören, Riechen etc. machen nicht nur für den „normalen“ Besucher die Geschichte besser erfahrbar, sondern bieten auch Menschen mit (Sinnes-)Einschränkungen eine kulturelle Teilhabe. In diesem Rahmen ist mir auch wichtig, das Museum barrierefrei – im Sinne einer Zugänglichkeit mit dem Rollstuhl – zu machen.

Wird es denn auch speziell etwas für Kinder geben?
Ja, nichts ist wichtiger als schon den Nachwuchs für Geschichte und Kultur zu begeistern. Innerhalb der Ausstellung wird es Stationen speziell für die ganz Kleinen geben, die das Museum für sie zu einer spannenden Schnitzeljagd werden lassen. Aber auch speziell für Schulklassen aus Dillingen und den Nachbargemeinden plane ich ein museumspädagogisches Angebot. Ich möchte verschiedene Gruppenführungen zu besonderen Themen anbieten, bei denen im Anschluss gebastelt, getöpfert oder römisch gekocht werden darf. Wir sind zurzeit dabei, einen Raum extra hierfür herzurichten und auszustatten.  

Das hört sich gut an. Wird es denn neben der eigentlichen Ausstellung auch weitere Angebote für Erwachsene geben?
Selbstverständlich soll auch für Erwachsene das Museum zu einem Treffpunkt werden. Ortsansässige Vereine und Gruppen werden den Arbeitsraum ebenfalls nutzen können. Die große Fläche in der ehemaligen Scheune des Museums steht weiterhin als würdiger Rahmen für Veranstaltungen, wie Konzerte, Vorträge, Empfänge und ähnliches zur Verfügung. Auch interessante regionale/überregionale Sonderausstellungen und Erwachsenenkurse sind in Planung. Sie dürfen sich überraschen lassen.

Da haben Sie sich ja einiges vorgenommen. Wo sehen Sie denn die größte Herausforderung?
All das Genannte zu realisieren, bedarf es natürlich finanzieller Mittel, die sicherlich nicht im Übermaß vorhanden sind. Dennoch kann mit viel Kreativität und bei Nutzung der vorhandenen Ausstattung und mit Hilfe der Stadt, dem Land sowie dem Förderverein des Museums viel erreicht und umgesetzt werden. Fachliche Unterstützung bekomme ich zudem vom Landesdenkmalamt des Saarlandes, von Studierenden der Hochschule und der Universität Trier sowie Kollegen anderer historischer Stätten und Museen in der Umgebung. Ganz wichtig wird in Zukunft aber auch das freiwillige Engagement hilfsbereiter Dillinger sein, die mit Tatkraft, Knowhow und Freude das Museum unterstützen wollen. Aber dazu ein andermal mehr…

Das klingt alles sehr spannend, Herr Dr. von Ahn. Eine letzte Frage an Sie: wo werden unsere Bürgerinnen und Bürger mehr erfahren können?
Zum einen möchten wir in den lokalen Medien zukünftig immer wieder über Fortschritte und Termine informieren. Zum anderen wird es auch unter www.roemermuseum-pachten.de bald eine neue Homepage und somit ein digitales Angebot für das Museum, dortige Veranstaltungen und den Römerpark geben.